Nun also das Ehegattensplitting, welches von der SPD zur Abschaffung aufgerufen werden soll. Das Ehegattensplitting in der derzeitigen Form ist doch keine Steuerermäßigung, sondern soll lediglich den Nachteil durch die Progressionserhöhung abmildern. Da unser Einkommensteuertarif in Deutschland progressiv steigt, würde sonst ein zusätzliches Partnereinkommen steuerlich zum Nachteil für die Eheleute. Das ist längst bei der Bevölkerung und den jungen Menschen angekommen, für die das offensichtlich kein Anreiz ist, sich zur Ehe zu entscheiden (was sich auch in der Erhöhung der Scheidungsquote widerspiegelt).
Die Alleinverdiener-Ehe ist sicher nicht mehr zeitgemäß, aber die Ehe selbst ist doch kein Steuersparmodell. Die Ehe bedeutet vielmehr eine Verantwortungsübernahme beider Partner, ist eine gesellschaftliche Verpflichtung für den Anderen und für Kinder.
Der Staat hat eben nicht nur die Familie und Kinder zu schützen, sondern nach Artikel 6 des Grundgesetzes sogar die Ehe selbst zu fördern: Hierbei kann man sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stützen. Im Urteil von 1982 führte unser Bundesverfassungsgericht aus, dass das Ehegattensplitting keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung sei, sondern eine an dem Schutzgebot des Artikels 6 Absatz 1 unseres Grundgesetzes und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Artikel 3 Absatz 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung.
Die Ehe stellt eben kein „überholtes Familienbild“ dar und ist dem grundgesetzlichen Auftrag folgend förderungswürdig. Für die Alleinerziehenden gibt es hingegen einen Freibetrag, sodass zwei Alleinerziehende mit entsprechenden Einkommen - schon wegen der Progressionsfolge - unter Umständen sogar besser stehen, als Verheiratete mit Splittingtarif auf die Zusammenrechnung. Könnte die Bundesrepublik Deutschland durch Abschaffung des Ehegattensplittings den Nachwuchs, die Kinder selbst fördern und Kinderarmut abschaffen? Unabhängig vom Ehegattensplitting und dem Familienstand der Eltern hat der Staat für - der sozialen Marktwirtschaft folgend - insbesondere für die Kinder aus finanziell-schwächer gestellten Familien Existenz und die Zugänge zu Bildung besser abzusichern (unter Wahrung der Kinderrechte in Sorge für deren Bildung und Zukunft). Hierzu gehört auch, dass für Eltern, die erwerbsfähig sind, aber keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, Anreize zur Arbeitsaufnahme geschaffen werden. Beides - Abschaffung des Ehegattensplittings und Förderung von Kindern - so zu vermengen, so zu vereinfachen, wäre kontraproduktiv, ja falsch: Nicht nur denen gegenüber, die keine Kinder bekommen können, wie auch denen gegenüber, die für ihren Kinderwunsch auf vieles verzichten, sondern grundsätzlich für unsere Gesellschaft.
Schon deshalb widerspreche ich ausdrücklich der Forderung (von Lars Klingbeil (SPD) und anderen) nach einem Ende des Ehegattensplittings, als wäre die Ehe überholt und als müsste der Staat - entgegen Artikel 6 GG - die Ehe selbst nicht mehr schützen! Bei einem Übergang zu einer Individualbesteuerung, je nach Ausgestaltung, kann es sogar zu einem Verlust des verfügbaren Einkommens vor allem für Ehepartner am unteren Ende der Einkommensverteilung und für Haushalte mit (zwei oder mehr) Kindern kommen. Und das in einer Zeit, wo gerade Familien, die mit wenig Geld auskommen müssen, von der Inflation besonders betroffen sind.
Im Gegenteil: Gerade in der heutigen Zeit, in der Verantwortung vielfach gescheut wird und es so leicht ist, sich Verpflichtungen zu entziehen, sollte der Staat die gegenseitige Verantwortungsübernahme endlich wirklich begünstigen, zum Beispiel durch steuerfreie Prämien für die eheliche Verantwortungsübernahme, was dadurch dem Familiengedanken zugutekommen könnte, mit einer wirklichen Nachwuchsförderung, bis hin zur Renten- und Pflegevorsorge.
Die von der SPD angezettelte Debatte folgt einem Grundmuster: Hauptsache, es wird eine Schlagzeile produziert - komme, was wolle. Die Menschen haben aber gerade in dieser herausfordernden Zeit, an der die Bundesregierung selbst nicht ganz unschuldig ist, die Nase voll von Überschriften und unausgegorenen Politiker-Ideen.
Zur Verfasserin dieses Namensbeitrages:
Vera Rilke-Haerst ist Kreisvorsitzende der Frauen Union Rheinisch-Bergischer Kreis und Geschäftsführerin einer Steuerberaterungs-GmbH. Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Seite der Frauen Union NRW.
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